Jeder kennt wohl den Begriff “Souveränität“.
Ursprünglich bedeutet er, aus dem lateinischen kommend von superanus = darüber befindlich. Wobei “anus” auch die alte weise Frau, die Große Mutter des Matriarchats meinen kann. Also könnte Souverän ursprünglich auch auf eine Mutterfigur oder gar die Erde selbst verweisen. Es kann aber auch sein, dass hier ein ursprünglich französischer Begriff latinisiert wurde. Etymologisch fehlt mir hier in Kenia leider mein Kluge und ich bin auf seinen DDR-Kollegen angewiesen. Dieser findet allerdings die Herkunft von Souveränität erst im 17. Jahrhundert. Tatsächlich hat diesen Begriff aber bereits 1583 Jean Bodin bearbeitet, wenn nicht geprägt. Jedenfalls geht die heutige Verwendung in Staatstheoretischen Diskursen noch heute auf Bodin zurück. Auch ähnliche Begriffe, wie das staatliche Gewaltmonopol stammen aus dem Denken Bodins ab.
Ich will hier — wie immer möglichst kompakt — zeigen, dass der Begriff von Anfang an bis heute zum einen ein theologischer Begriff ist und außerdem ein Mythos. Dies ist insofern bedeutsam, weil wir damit auch einmal mehr den Staats als Mythos entdecken können, so unnötig wie ein Blinddarm.
(Alle Zitate von Bodin stammen aus der oben verlinkten Zusammenfassung. Die Anschaffung seiner 6 Originalbücher ist mir zu kostspielig).
Die wahren Attribute der Souveränität
Bodin 1585
Da es auf Erden nach Gott nichts Größeres gibt als die souveränen Fürsten, die Gott als
seine Statthalter eingesetzt hat, damit sie der übrigen Menschheit befehlen, ist es notwendig,
auf ihre Stellung achtzuhaben, um in Unterwürfigkeit ihre Majestät achten und verehren
und über sie in Ehrerbietung denken und sprechen zu können. Wer sich gegen den König
wendet, versündigt sich an Gott, dessen Abbild auf Erden der Fürst ist.
Hier ist eigentlich schon alles gesagt.
Zunächst benutzt Bodin den Begriff nicht deskriptiv, sondern präskriptiv: er erklärt uns nicht, wo er so etwas wie Souveränität findet, also er sagt uns nicht, was ist, sondern, was sein soll. Der König ist kein Souverän, sondern er soll es sein. Und er wird es durch seine Untertanen, sofern sie sich nicht gegen Gott versündigen, dessen Stellvertreter auf Erden der König sei. Auch dass der Herrscher ein Stellvertreter Gottes sei, wird so zum Soll und beschreibt keinen Ist-Zustand. Denn er braucht ja offensichtlich die Zustimmung des Volkes und ist Souverän weder aus eigener Macht, noch durch Gottes Schutz, sondern nur durch die Angst der Untertanen.
Bodin entwickelt dann aus seinem Souveränitätsbegriff weiter die logisch notwendige Folge des absoluten Staates.
Wenn der “Souverän” anderen Instanzen gegenüber, zB. Herzogen oder Gesetzen etc. gegenüber zu Gehorsam verpflichtet ist, hört er auf, Souverän zu sein.
Wie kann jemand souverän genannt werden, der das Recht eines über ihm Stehenden anerkennt? […] Es ist absurd, wenn man den Vasall zum Souverän macht.
Bodin 1585
Vor der Staatenbildung war nach Bodin übrigens das Familienoberhaupt nach Bodin der Souverän. (Hier habe ich leider keinen Beleg zur Hand, sondern ich zitiere aus meinem Gedächtnis.)
Die Staaten sind bei Bodin ein Zusammenschluss souveräner Familien.
Für uns interessant ist, dass damit der Staat womöglich sofort die Souveränität des Familienoberhauptes vernichtet hat. Denn es kann ja nur einen geben.
Oder aber: er sah den Geltungsbereich des Staates noch an der Haustüre der Familie enden.
Davon sind wir in Deutschland seit dem Frohlocken des aktuellen Kanzlers und Gauners Scholz, der Staat hätte “die Hoheit über die Kinderbetten” erreicht, tatsächlich weit entfernt. Wenn es je einen absoluten Staat gegeben hat, dann ist es der moderne westliche Staat. Das nur am Rande, bzw. vorweg gegriffen.
Zurück zum Mythos des absoluten Staates, wie ihn Bodin entwickelt hat.
Ich will und muss hier gar nicht auf die einzelnen Argumente eingehen, die Nicholas Henshall 1992 entwickelt hat und die heute bei Staatstheoretikern weitgehend anerkannt sind. Es reicht, dass er herausgearbeitet hat, dass die Herrschaft im “freien” Staatswesen England nicht weniger “absolutistisch” war, als im absolutistisch genannten Königreich Frankreich. (Niemand ist eine Insel. Und ein absolutistischer Herrscher muss z.B noch lange kein Despot sein, wie es die demokratischen, also staatstreuen Historiker verkaufen)
Wir halten fest, dass für Bodin und bis heute der Souveränitätsbegriff aussagt, dass der Souverän oberste und alleinige Herrschaft hat — bzw. eben haben soll.
Denn es war erst Carl Schmitt, der seine Schrift “Politische Theologie” mit dem Satz beginnen lässt:
“Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet”
und damit den Begriff staatlicher Souveränität vom Mythos und von ideologischen Fantasien befreit hat. Ist wirklich noch der hochverschuldete König der Souverän oder ist es der jüdische Geldverleiher? Ist wirklich das Volk in der BRD der Souverän oder der Bundestag oder der Kanzler? Oder der Präsident? Oder das Verfassungsgericht? Oder Bill Gates, der auf Wunsch in der Tagesschau sprechen kann und den Ausnahmezustand wg. Corona, bzw. seinem Gewinn daran ausrufen kann.
Oder ist es die Verfassung?
Ist das Grundgesetz nicht, hier durchaus Schmitts politischer Theologie folgend, die Heilige Schrift, die wir nur noch auslegen, die wir aber kaum infrage stellen dürfen?
Werden wir — in diesem Sinne — nicht schon längst von “Künstlicher Intelligenz” beherrscht? Ist tatsächlich noch irgendein Mensch Souverän? Oder ist es nicht abstrakt das “Gewaltmonopol” des Staates?
Vor dem Gesetz aber sind wir alle gleich. Leider! stimmt das. Und Ausnahmen bestätigen nur die Regel! Selbst ein US-Präsident ist heute dem Gesetz voll unterworfen, der “mächtigste Mann der Erde”? — das war einmal. Und der reichste Mann der Welt, Elon Musk, darf sich nicht mal ungestraft einen gut bezahlten Handjob in seinem Privatflugzeug gönnen.
Die heutige westliche “Demokratie” ist wohl die absolutistischste Staatsform — und damit Lebensform —, die es je gegeben hat, außer in den Träumen von Sozialisten seit Platon.
Ein menschlicher “Souverän” hat gleichzeitig den schlechtesten denkbaren Ruf, vor allem in Deutschland mit seiner Führervergangenheit. Wobei selbst Hitler mit seinem NS-Deutschland vor der totalen Herrschaft in der BRD neidisch erblassen würde.
Niemand darf heute souverän sein im Sinne von über anderen, womöglich über allen anderen stehend und nur Gott als Macht über ihn anerkennend. Und niemand darf mehr Sklave sein; denn unsere “Freiheit” ist unveräußerlich, was nichts anderes meint, als dass niemand, auch nicht wir selbst uns von der staatlichen Sklaverei freikaufen, bzw. einem lebenden liebenden geliebten Souverän, übergeben dürfen. (Wir Kyniker nehmen uns natürlich die Freiheit)
Vor dem Gesetz sind alle gleich. Und das bedeutet:
Wir sind Sklaven des Gesetzes.
Was (nach Bodin) mit der Entmachtung des Souveräns in der patriarchalischen Familie begonnen hat, der einst über Leben und Tod aller Familienmitglieder souverän entscheiden konnte und noch Mitte des 20. Jahrhunderts Reste aufwies (zB. durften Ehefrauen keinen Kredit ohne Zustimmung ihres Ehemannes aufnehmen, wenn eine Ehefrau arbeiten wollte, bedurfte sie der Zustimmung ihres Gatten und Zeugnisse der Kinder mussten von beiden Elternteilen unterschrieben werden), hat inzwischen das gesamte Leben überflutet und erstickt. Schon die Kinder sind heute in vollem Sinne Sklaven des Staates. Ihre Eltern dürfen nur noch als Gehilfen erziehen, im Auftrag dieses absoluten Staates ohne menschlichen Souverän. Die Abschaffung der Sklaverei hat uns alle zu Sklaven des modernen Staates gemacht.
Das Werk der christlichen Sklavenmoral ist vollendet.
Neben dem von Nietzsche (mit guten Gründen) so verachtetem Mitleid, ist es vor allem eines, was Sklaven wollen, wenn sie sich auf moralisches Denken einlassen: keine Souveräne über sich und keinen Gott; niemand soll sie in ihrer vermeintlichen Freiheit einschränken dürfen. “Notwendige” Gesetze oder Verträge natürlich ausgenommen.
An der Spitze dieser Sklavenmoral, und das meint zugleich: dieser totalen Versklavung aller Menschen, steht die moderne Anarchie. Mit ihrem Motto “Keine Macht für niemand” hat sie genau das erreicht, was sie bekämpfen wollte. Schaut man sich etwa das Systemprogramm der Anarchokapitalisten an, so ist auch dies ein fertiges System, das als künstliche Intelligenz den herkömmlichen Staat ersetzen soll und wohl auch kann, ein System, in dem niemand Souverän sein, also niemand über einem anderen stehen darf, sondern alle gleich sind, als “Eigentümer ihres nihilstischen atomistischen Ich”, dem Würde allein noch durch die gesetzlich ausgewiesene Menschenwürde zukommt.
Eine Lösung, eine Befreiung von diesem “Endgegner” im aktuellen Level des Spiels, ist die Wiedereinführung des Souveräns und damit die Wiedereinführung der Sklaverei. Was die Sozialisten ewig vergeblich versuchen zu erreichen, können wir Kyniker schaffen: die Massen zu gewinnen. Denn “die Massen” wollen Sklaven sein, sie wollen einem Souverän, einem guten “Märchenkönig” gehorchen. Was Kyniker, als die ersten Anarchisten der Weltgeschichte (gleichzeitig ungefähr mit den Taoisten in China) nur dagegen tun müssen, ist: Kyniker sein.
Als Kyniker sind wir nicht Souverän, denn das ist nur Gott. Wir sind lediglich auf dem Weg, Souverän zu werden, in dem wir den Göttern folgen, ihnen gehorchend. Novalis, der Romantiker und Kyniker ehrenhalber nannte es, die “Königswürde” erstreben.
Machen wir uns auf den Weg, unsere souveräne Königswürde dem Nihilismus entgegenzusetzen.
Gehen wir diesen Weg weiter, ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass wir wieder zu ältester Macht zurückfinden und den modernen Staat dabei absichtlos vernichten. Mit einer kleinen Bewegung ihres Fußes hat Antigone das Reich ihres Onkels vernichtet.
Das können wir auch.
Der moderne Staat muss vernichtet werden, vollständig, restlos, als Vollendung der Christenverfolgung unserer Vorgänger. Das ist unsere Chance. Und wie vor 2000 Jahren noch müssen wir nur einer Tugend und einer Hilfstugend folgen, um wieder voll mächtig zu werden: wir müssen Parrhesia üben, also die Wahrheit über uns zulassen und leben und wir müssen die staatliche Münze entwerten, was u.a. meint, alle herrschenden Werte umzuwerten. So wie der “absolutistische” Herrscher ein Mythos war, ein Gespenst, das nur von der Zustimmung der Untertanen lebte, so ist erst recht der Verfassungsstaat, um mit Ulrike Meinhof zu sprechen, “nur ein Papiertiger“. Dennoch wird es nicht leicht, diesen Papiertiger zu zertreten, denn es ist ein Welt-Krieg. Aber:
Nichts ist schöner als das, was wir als Freier des Souverän gewinnen.