Wille zur Macht ist Wille zum Leben

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Nietzsches “Wille zur Macht” ist dialektisch “Wille zum Leben”.

Der junge Nietzsche übernimmt von Schopenhauer dessen durchaus pessimistisch gemeinten “Wille zum Leben”. Denn in Schopenhauers Mitleidsethik ist der Wille zum Leben selbst schon bemitleidenswert. Denn das Leben ist Scheiße. Wie traurig doch, dass wir dennoch an diesem scheiß Leben hängen.

“Der Schopenhauerische „Wille zum Leben“ …: dieses dumpfe Treiben ohne Zweck, diese Ekstase, diese Verzweiflung, dieser Ton des Leidens und Begehrens”

Später setzt Nietzsche diesem “Willen zum Leben” als Antithese den “Willen zur Macht” entgegen.

“Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern — so lehre ich’s dich — Wille zur Macht!.”

Schließlich erkennt er:

“Der Wille zur Macht, als Wille zum Leben — des aufsteigenden Lebens.” “Das ewige Leben, die ewige Wiederkehr des Lebens; die Zukunft in der Vergangenheit verheissen und geweiht; das triumphirende Ja zum Leben über Tod und Wandel hinaus; das wahre Leben als das Gesammt-Fortleben durch die Zeugung”

Im Ecce Homo, seinem letzen Werk, finden wir endlich diese Synthese noch deutlicher ausgesprochen:

“„Das Jasagen zum Leben selbst noch in seinen fremdesten und härtesten Problemen; der Wille zum Leben im Opfer seiner höchsten Typen der eignen Unerschöpflichkeit frohwerdend — das nannte ich dionysisch, das verstand ich als Brücke zur Psychologie des tragischen Dichters. Nicht um von Schrecken und Mitleiden loszukommen, nicht um sich von einem gefährlichen Affekt durch eine vehemente Entladung zu reinigen — so missverstand es Aristoteles: sondern um, über Schrecken und Mitleiden hinaus, die ewige Lust des Werdens selbst zu sein , jene Lust, die auch noch die Lust am Vernichten in sich schliesst…“ In diesem Sinne habe ich das Recht, mich selber als den ersten tragischen Philosophen zu verstehn — das heisst den äussersten Gegensatz und Antipoden eines pessimistischen Philosophen.”

Wir finden im vorigen den Schlüssel zu seiner “Ablehnung” des Mitleids. Es geht nicht darum, das Mitleiden los zu werden, wie bei Aristoteles, sondern optimistisch darüber hinaus zu kommen, trotz Mitleid Jasagen zum ewigen Leben, zur ewigen Wiederkehr.

DIese Haltung ist die kynische Haltung, die Nietzsche prägt. Sie leidet nicht am Schrecken des Schmerzes und des Todes, sondern feiert das Leben in all seinen Erscheinungen. Genau dies ist aber “Wille zur Macht” durch das “amor fati”. Genau das ist auch die jüdische “Feindesliebe“, wie sie Jesus lehrt und gelebt hat. Das ist Parrhesia, die Liebe zur Wahrhaftigkeit, als Selbstverwirklichung ohne Schranken.

Was Nietzsche, was alle Kyniker, zur Parrhesia treibt, ist Kuriosum im lateinischer Ursprungsbedeutung: “cūriōsum: „sorgfältig, aufmerksam, vorsorgend, interessiert, wissbegierig, neugierig” Wir sehen, dass weder das deutsche Wort “Neugier”, noch die Bedeutungsverschlechterung in “Kuriosität” gemeint ist.

Was uns Kyniker (und antike Stoiker) treibt, ist die mythische Bejahung des Gottes, egal was passiert. Wir wenden uns nicht ab, wir haben eine gefährliche “Neugier”, wir wollen wissen, wer wir sind und erfahren es in dieser bedingungslosen zensurfreien “Neugier”. Diese “Neugier” führt zur Parrhesia, als “Willen zur Macht”. Selbstverleugnung ist Gottesverachtung, ist nihilistischer “Wille zum Nichts”, denn wenn ich nicht machtvoll ich selbst sein will, dann bleibt am Ende nichts von mir, ich verleugne Gott, in dem ich mich, verstanden als Idee Gottes, verleugne.

Mit anderem Schlagwort bezeichnet Nietzsche Parrhesia, als das mutige Aussprechen (und Leben) seines “einzigen Eigentums” [Max Stirner], nämlich seines Selbst, als die Lust am “gefährlichen Leben”. Und ja, nur dieses gefährliche Leben als liebende optimistische Neugier ist es wert, gelebt zu werden, ist Gegensatz zum Nihilismus.